Das Finden des Weges. Wie kann man es so gestalten, dass man nicht oft anhalten muss? Es gibt längst satellitengesteuerte Navigation für Radfahrer. Aber will man das? Auf eine kleine Maschine gucken, die anzeigt, ob es links geht, geradeaus oder rechts?
Für diese erste längere Radreise sollte es wenig Technik sein. Also Karten. Ich kaufte eine Michelin-Karte Frankreichs im A4-Format, Maßstab 1:200.000, und riss die entsprechenden Seiten heraus. Ein Motorradfahrer hatte mir Michelin empfohlen und lag damit richtig. Ein kleinerer Maßstab: Das wäre eine Menge Papier geworden.
Sich ab und an zu verfahren ist unvermeidbar. Man hat einfach manchmal so Tage.
Nicht nur die Scottisch Flyboys gehorchen der ersten Regel, die lautet: Never go back!
So habe ich es auch gehalten. Auch wenn ich die fünf schottischen Jungs genau in dem Moment traf, an dem ich zum ersten Mal ein Stück zurück gefahren war. Nicht umzukehren ist dumm. Es kostet Zeit und Nerven. Umwege werden niemals kürzer dadurch, dass man versucht, auf einem Bogen zurück zur eigentlichen Strecke zu finden. Trotzdem streubt sich alles in mir gegen des Umkehren. Überhaupt das Anhalten. Der Radfahrer ist an und für sich ein flüchtiges Wesen. Er sieht, nimmt auf und fährt vorüber: Das ist sein Geschäft.
Eine weitere Regel der Scottisch Flyboys, zugeschnitten auf Frankreich lautet: Stick to the D-roads!
Mit einem "D" gekennzeichnet sind die meisten Landstraßen. Das können kleine, gewundene Pisten zwischen winzigen Käffern sein oder auch vierspurige, gerade Schneisen in der Landschaft, auf denen die LKW's nur wenige Zentimeter am Ellbogen des Radfahrers vorbeirauschen. Eine Kategorie über den D-Straßen kommen die mit "N" gekennzeichneten (für National). Nicht zu empfehlen.
Die Flyboys sind einmal auf der Autobahn gelandet. Einer fuhr vor (wahrscheinlich Connor) und alle anderen hinterher. Einmal drauf, kann man nicht mehr zurück. Die Leute an der Raststätte haben sehr komisch geguckt, als aus heiterem Himmel fünf Radfahrer aufkreuzten.
Als Navigationssystem dient kleiner Zettel, den ich mir in die Radlerhose stecke. Darauf stehen Namen der Orte, die ich durchfahre, sowie die Nummern der Straßen. Meist komme ich damit bestens zurecht. Am letzten Tag habe ich die kleine Werkzeugtasche, die normalerweise unter dem Sattel hängt, an den Sattel gebunden. Da konnte ich die Karte reinstecken und während der Fahrt lesen. Hab mich trotzdem verfahren.
Verfahren passiert ohnehin nur im Kopf. Der Weg ist ja das Ziel. Das ist keine leere Phrase, sondern Tatsache. So, wie ich die Flyboys traf, als ich gegen die Regel zurückfuhr, so passieren die guten Dinge häufig dann, wenn man glaubt, vom Pfad abgekommen zu sein. Ich verfuhr mich besonders an den letzten zwei Tagen der Reise, an denen ich mir lange Strecken vorgenommen hatte, um endlich anzukommen. Dass es sehr heiß war, machte die Sache nicht leichter. Wer stetig fährt und sich nicht ärgert, wenn die Route anders ausfällt als geplant, der kommt, auch innerlich, am weitesten.