Max Pothmann | Autor | Bühnenbild & Requisitenbau | Köln-Bonn
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12.08.2010

Hans Magnus

Im Zeit-Magazin ein Interview mit Enzensberger.

99 Fragen, Instant-Gespräch; kurz, knapp, unterhaltsam.

Frage 63:
Was gibt's eigentlich dauernd zu grinsen?

Heiterkeit ist eine moralische Frage. Mürrische Leute, die andere mit ihren Problemen behelligen, die halte ich für rücksichtslos.

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Zwar würde ich nicht sagen, dass ich uneingeschränkt mit dieser Aussage einer Meinung bin (immerhin ist Enzensberger 80, er darf sich wesentlich mehr erlauben), aber man verstehe sie als Lob der Heiterkeit!

05.08.2010

Einsamkeit und Sex und Mitleid / Helmut Krausser

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Seit längerem habe ich wieder ein Buch in einem Zug durchgelesen - es war spannend, lebendig, unterhaltsam, lesbar. Wir folgen einem satten Dutzend Figuren von Charlottenburg bis Neukölln quer durch Berlin. Versiffte Punks mit obligatorischer Ratte, der alternde Dr. mit seiner Kickbox-Geliebten, ein Callboy und eine Ex-Primaballerina mit Zuckungen, bekloppte Teenager und ein wirklich einsamer Lateinlehrer im Frühruhestand: Alle sind dabei und rühren kräftig in ihren eigenen und den Leben der anderen herum.

Dieses Berlin-Buch ist eine deutsche Antwort auf multi-narative Erzähltechnick wie wir sie aus Filmen wie L.A. Crash oder Magnolia kennen. Es ist sprachlich gewandt und konstruiert wie ein edle Armbanduhr: Alle notwendigen Rädchen greifen ineinander und das manche Fäden einfach ins Leere laufen ist eigentlich umso schöner. Meistens schafft Krausser, was mir in der aktuellen deutschen Literatur vielfach fehlt: Sprache und Inhalt sind authentisch (die Sprache von sogenannten Assi-Türken in Büchern nachzuahmen ist so eine Sache, wobei ich mir gut vorstellen kann, dass der Author, dessen enormer Fleiß durch alle Seiten weht, auch hier ganz genau recherchiert hat).

Ich kann nicht genauer beurteilen, ob Menschen in Deutschland tatsächlich so fühlen und leben, wie sie hier beschrieben werden: Es ist mein eigenes Lebensgefühl nicht - die sind mir alle zu hart, zu unnahbar und auf hoffnungslose, tiefe Art und Weise einsam.
Aber darum geht es ja auch nicht - auch wenn mir die Menschen übertrieben verkopft und hilf- und orientierungslos erscheinen, so fühlt sich doch die Gesamtheit der Geschichte echt an - echter als das meiste, was ich seit langem auf deutsch gelesen habe.

Der Titel wäre auch mit 'Einsamkeit und Sex' ausreichend. Von Mitleid merkt man nur manchmal dünne Ablagerungen zwischen den Zeilen. Aber er ist hymnen-musikalisch und schön. Gibt's bestimmt bald auch auf DVD.

03.08.2010

Frisch Gepresst

Das mit der Presse ist so eine Sache.
Ich war früher jemand, der nicht genug davon kriegen konnte, in Cafés, in Zügen, an Straßenecken, in Parks oder sonstwo zu sitzen und, am besten in Begleitung eines guten alten Pappbechers Kaffee Zeitungen oder Magazine zu lesen.

Mit der Zeit weniger geworden.

Hier drei Beispiele dafür, warum Presse nicht mehr so viel Spaß macht:

1. Horst Köhler

Noch immer klingen die letzten Wehen durch die Blätter. Vor einigen Tagen las ich einen umfangreichen Artikel, in dem der Autor versuchte, Köhlers Abgang zu verstehen. Das fiel ihm schwer. Dabei war Köhlers Begründung in ihrem Inhalt einfach und deutlich: Aussagen von ihm waren von der Presse verdreht und, motiviert vom Hunger nach verkaufter Schlagzeile groß aufgeblasen worden. Köhler wollte nicht mehr Präsident eines Landes sein, in dem derart miteinander und mit der Wahrheit umgegangen wird. Der Journalist wusste zu sagen, dass die Rücktrittserklärung sechs Sätze lang gewesen war. Mit keinem Wort jedoch bezog er sich auf deren Inhalt (der ja auch ihn betrifft), er spekulierte lieber über Verschwörungen und Geheimnisse im Schloss Bellevue, er spekulierte wild und poetisch. Aber kann es das sein?

Sicher. Es gab andere Gründe für Köhlers Rücktritt und von diesen werden wir, wenn überhaupt erst erfahren, wenn es zumindest die Schlagzeilen nicht mehr interessiert. Trotz allem war seine Aussage einfach und klar, tauchte aber in der Berichterstattung so gut wie nicht auf.

Warum? Weil sie der Presse, die leider viel zu oft schön daherreden, selten aber etwas sagen kann, ans Bein pinkelte. Es kommt mir so vor, als wären viele Journalisten schon so im Sumpft verdreht worden, dass sie nicht einmal bewusst am Thema vorbeirreden. Das beängstigt mich ein wenig.

2. Philip Lahm

Zum Ende der WM las man an allen Ecken und Enden von Machtkampf, Kapitänsfrage und Duell zwischen Lahm und Ballack.
Wer genau hinliest, oder wer über tatsächlich von Herrn Lahm getroffene Aussagen stolpert, der findet davon nichts. Er sagte, dass er den Job gerne macht und gerne weitermachen würde. Alles weitere wird hinein geblasen, weil es interessanter klingt und sich besser verkauft.

Natürlich ist es nicht ganz verkehrt, dass sich in dieser Frage ein Konflikt verbergen könnte. Aber er ist nicht ausgebrochen und er findet nur in den Köpfen der Leute statt. Da wird zusammenspekliert - und längst nicht nur vom Boulevard, sondern von allen. Es lässt sich weder beweisen noch leugnen und deswegen ist es erstmal wahr.

Was macht so etwas mit unserem Denken? Wir wissen kaum noch Dinge. Wer wirklich Einfluss hat, hat längst Verschwiegenheit gelernt. Otto Normal liest Spektulationen und darf sich einbilden, er wüsste was.

3. Love Parade

Auch hier wird von der Presse gebauscht, dass es weh tut.
Die steigende Zahl der Toten ist für Schlagzeilenschreiber ein Fest. Dass es erstmal keinen Schuldigen gibt: Umso besser! Da kann man getrost in alle Richtungen austeilen. Überhaupt der Volkssport des Beschuldigens. Die anderen sind immer dümmer als man selbst. Man hätte es bestimt besser gemacht.

Heute steht der Duisburger OB tatsächlich vor einer Abwahl. Fühlt sich nun irgendjemand besser? Ein trauriges Ereignis wird durch die nachfolgende Schreierei von allen Seiten nocht trauriger. Und die Art und Weise, wie gierig nach Schuld gesucht wird - wieder: beängstigend.