Auch jeder Nichtberliner kennt Klaus Wowereit. Genau! Der Typ, der sich damals als schwul geoutet hat - das ist schon lang vergangen und auch gar nicht mehr besonders interessant. Ich hab ihn einmal live erlebt, auf einer Jubiläumsfeier in Berlin.
Er kam mir damals sehr glatt vor - ganz anders als Horst Köhler, der ebenfalls eine kurze Rede hielt: Bei sachlich stabiler Mittellage war der Bundespräsident staubtrocken und unlocker - auffällig, wie er sich an seinen kleinen Zetteln festhielt, auf denen je ein Satz stand. Wowereit hingegen sprach schnell und ohne sich am Text festzuhalten, er bewegte sich hinter dem Rednerpult, er hatte Energie: Und massig Routine.
Benjamin von Stuckrad-Barre hat ihn vor einigen Jahren für eine Woche begleitet und aus seinen Eindrücken eine Reportage gemacht: Vorherrschender Eindruck: Die Terminfülle eines regierenden Bürgermeisters ist unglaublich. Zumal sich vieles buchstäblich auf dem Niveau vom Kaninchenzüchter-Verein abspielt.
Ein bißchen unglaublich ist auch Wowereits Biographie "Und das ist auch gut so". Dieses rasant lesbare Buch ist ein Stück kluge Selbstdarstellung, sicher. Gleichzeitig gibt es Einblick in den Berufsalltag eines deutschen Politikers, wie man ihn sonst nicht kennt. Die Motivationen, der Alltag, das Zustandekommen von Entscheidungen, der nervliche Druck, die Fülle verschiedener Aufgaben - die Medien.
Letztere bekommen besonders im letzten Kapitel des Buches, in dem Wowe es sich erlaubt, persönlichere Anliegen kundzutun, ihr Fett weg. Und sicher nicht zu unrecht: Denn vielleicht ist es mittlerweile nicht mehr falsch zu sagen, dass sich unsere Medienlandschaft schlechte Angewohntheiten zugelegt hat, die ihrem eigentlichen Teilauftrag, Demokratie fördernd zu wirken, entgegenstehen. Obwohl Wowe mit schier unerschöpflicher Enerige und Nervenstärke gesegnet ist, fühlt er sich stark eingeengt - macht er einen dummen Scherz in der Nähe einer Kamera, steht das am nächsten Tag völlig verdreht in der Zeitung (so geschehen z.B. mit einem Pump und einer Sektflasche).
Armer Wowe! wird nun der ein- oder andere antworten. Doch ich frage mich: Was wollen wir denn?
Die Politiker sollen den besten Job der Welt machen, sie sollen unbequeme Entscheidungen treffen, Mut beweisen am laufenden Band und natürlich superfit sein in allen Sachfragen - gleichzeitig bekommen sie beinahe aussschließlich Schelte und diese dann auch noch auf niedrigstem Niveau.
Bezeichnend Wowes Story, als er einmal nach Californien reiste, um Arni einen Besuch abzustatten und (durchaus wirkungsvoll) das Berliner Filmgeschäft anzukurbeln. Alle Berliner Zeitungen hatten ihm Journalisten zur Seite gestellt. Diese begannen sich nach dem zweiten Tag abzusetzen: Wowes Programm hieß nämlich wie üblich: Termine von ganz früh bis ganz spät. Da lagen die Texter dann lieber auch mal am Strand (vielleicht in der Hoffnung, Pamela Anderson käme vorbeigejoggt).
Die Berliner Zeitungen zeigten dann allerdings ein Bild von Wowe im Liegestuhl - und stellten ihn (nicht zum ersten Mal) als großen Urlauber dar: Wer von uns würde da seinen Humor behalten?
Interessant auch seine Aussage, die großen deutschen Zeitungen seien oft schlimmer als das Boulevard - von dem weiß man ja, was einen erwartet. Wenn aber in einer großen Wochenzeitung in langen Artikeln nichts steht als halbseidenen Annahmen - die allerdings klug formuliert auftreten und sich unter dem Deckmantel der Seriösität des Blattes von vorne herein eines nicht verdienten Respektes sicher sein dürfen, dann gebe ich eher ihm Recht, als den Journalisten.
In jedem Fall: Als Blick hinter die Kulissen der deutschen Politik-Szene eignet sich "Und das ist auch gut so" ganz bestimmt.
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