Max Pothmann | Autor | Bühnenbild & Requisitenbau | Köln-Bonn
Mehr Infos auf meiner Webseite www.maxpothmann.de

10.06.2016

Im öffentlichen Bücherschrank

Gefunden in den Tagebüchern von Anaïs Nin

Einen beträchtlichen Teil meines Lesestoffs finde ich in öffentlichen Bücherschränken, die es in Köln mittlerweile in jedem Viertel gibt. Ein besonders lebendig genutztes Exemplar steht neben der Drahtflechterei in Ehrenfeld: Hier finden sich täglich neue Bücher. Außerdem ist der Schnitt an Konsalik, Simmel und den sonstigen üblichen Verdächtigen ("Salz auf unserer Haut", "Nicht ohne meine Tochter", "Die fünfte Frau") geringer, als zum Beispiel hier in Bickendorf.

Zu den Schätzen der letzten Zeit gehörten "Hang High the Roof Beam, Carpenters" von J.D. Salinger oder "Cloudstreet" von Tim Winton, einem mir völlig unbekannten, australischen Autor. Sehr zu empfehlen für Freunde der sanft gebogenen Realtität.

Den handschriftlichen Eintrag oben fand ich heute in einer Ausgabe der Tagebücher von Anaïs Nin. Sie sind insofern interessant für mich, weil ich ebenfalls seit Jahren meine Tagebücher abtippe. Wer weiß, was daraus eines Tages noch wird.

25.05.2016

Jeff Bridges - Sleeping Tages


Ich bin ein großer Fan von Jeff Bridges. Nicht nur wegen seiner Paraderolle als "Dude" Jeffrey Lebowski, sondern wegen einer großen Zahl seiner Filme. Um nur einige zu nennen:

Die Fabelhaften Baker Boys
The Fisher King
Against All Odds
Seabiscuit
Crazy Heart

Gestern Nacht stieß ich zufällig auf die Sleeping Tapes. Hört mal rein - fetter Tipp für Nachtschwärmer!

29.04.2016

Wort & Tonschlag im Goldmund

Am 09. Mai zeigen wir unser aktuelles Programm Zittern Sie jetzt im Café Goldmund, Glasstr. 2, 50823 Köln um 19 Uhr.

Die Rheinische Post schrieb:

Das Werk von "Wort & Tonschlag" ist so faszinierend wie skurril. Pothmann liest Texte, spielt mit Sprache und Stimme, während Wouters mit E-Gitarre und diversen elektronischen Spielzeugen wie Effekt-Pedalen Klangräume erzeugt, die mal die Texte untermalen und mal von den Texten getragen werden.

Der vollständige Artikel findet sich hier.

31.03.2016

Through the Wall

Gerade in den letzten Wochen kann man nicht anders, als immer wieder an Grenzen denken.

Hier ist ein traurig-schönes Beispiel für die Möglichkeiten des Films.

THROUGH THE WALL from Tim Nackashi on Vimeo.

17.02.2016

Kwaggophonie in Odonien - Kwaggawerk 2013


2013 zeigte das Kunstorchester Kwaggawerk die Kwaggophonie in Odonien, ein Kunstspektakel mit Blasmusik, Tanz, Literatur und Clownerie. Sogar ein Trecker fuhr mit.

Ich war damals noch ganz frisch dabei. Durch meine Erfahrungen als Tänzer und Choreograph wurde ich gleich in die Planungsgruppe aufgenommen und konnte mitgestalten.

08.01.2016

Wort & Tonschlag - 8 Grad

Daniel Wouters und ich zelten nicht nur zusammen im Winter (letzter Post), wir stehen als Wort & Tonschlag auch gelegentlich auf kleinen Bühnen in Köln und am Niederrhein.



Neue Termine für 2016:

* Sonntag, 21. Feburar, KuK in Kevelaer *

* Montag, 09. Mai, Goldmund, Köln *

02.01.2016

Winterzelten 2015

Das erste in diesem Blog beschriebene Winterzelten fand 2012 statt. Damals fuhren wir zu viert mit Fahrrädern von Kevelaer nach Westen an den Rhein. Die erste Nacht schliefen wir malerisch unter der alten Rheinbrücke in Wesel, während neben uns ein paar tausend Wildgänse übernachteten. 

Die folgenden zwei Jahre gab es beschaulichere Aktionen auf dem Zeltplatz Anna Fleuth, mal mit Grillhähnchen, mal mit Spanferkel und Jurte. Wobei wir es uns vor zwei Jahren nicht nehmen ließen, die 110 Kilometer von Köln nach Winnekendonk mit den Rädern zurückzulegen und unterwegs, mitten im Regen, in einem Waldstückchen zwischen Neuss und Kempen zu übernachten.

Letztes Jahr fiel das Winterzelten aus. Zuerst hatte ich geplant, allein zu fahren, aber als am 27.12. in Köln Schnee fiel, gab ich auf und blieb zu Hause, zumal wir den Jahreswechsel immerhin auf einer Hütte im Bergischen verbrachten.

Und nun: 2015. Endlich ging es wieder los. Der Plan war ehrgeizig: Ich wollte am 27.12. in Kevelaer losfahren und am 30.12. in Manderfeld in der belgischen Eifel ankommen, um dort im Haus Eulenburg Silvester zu feiern. Wir waren zu zweit. Wir hatten ein echtes Fahrradnavi. Wir konnten es schaffen. Gegen uns: Stetiger Südwind, der zwar für Dauersonne und warme Temperaturen sorgte, uns jedoch jeden Kilometer in den Beinen spüren ließ.

Am Sonntag kamen wir nicht besonders weit. Die Abreise verzögerte sich, weil am Vorabend eine Gruppe von Hobbits und Zwergen einer nach dem anderen vor der Tür standen, eine Kiste Bier im Schlepptau, so dass wir das erste Lager schon nach 20 Kilometern, ein gutes Stück hinter Straelen und einen Steinwurf von der holländischen Grenze entfernt aufschlugen. 

Unsere beiden Ein-Mann-Zelte: Im Vordergrund das Svalbard von Nordisk, im Hintergrund das Track 1 Tent von Gelert

Eine der Besonderheiten am Winterzelten ist der Zeitrahmen: Die Tage sind kurz, die Sonne geht um halb fünf unter. Allerspätestens dann sollte man sich nach einem Lagerplatz umschauen, denn wenn es eine halbe Stunde später ganz dunkel ist, wird die Suche deutlich erschwert. Im Umkehrschluss hat dieser Zeitrahmen zur Folge, dass die Abende am Lagerfeuer sehr lang werden können: Eine große Gemütlichkeit stellt sich ein, wenn man erstmal drei, vier Nächte lang jeweils sechs oder acht Stunden im dunklen Wald am Feuer gehockt hat. 

Daniel bequem. Links der Henkeltopf, in dem sich prima über dem Feuer kochen lässt.

Im Hintergrund schiebt sich ein fast voller Mond über die Baumwipfel

Am nächsten Tag folgte eine besonders schöne Strecke, weiter an der Grenze, vorbei an den Krieckenbecker Seen, durch Brüggen und westlich des Schwalmtals in den Forst Meinweg. Hier gab es eine besondere Gaumenfreude: Ein im Henkeltopf über dem Feuer gekochtes Gulasch mit viel Gemüse: Perfektes Essen, wenn man den Ganzen Tag gegen den Wind gefahren ist. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt übrigens schon so etwas wie einen Sonnenbrand von all dem Licht.

Am dritten Tag hieß es: Abschied nehmen. Daniel wollte mit dem Rad zurück nach Kevelaer und weiter den nordwestlichen Niederrhein erkunden. Ich hingegen hatte mein Ziel mit Manderfeld so weit gesteckt, dass schon jetzt fraglich war, ob und wie ich die noch bestehende Distanz von gut 140 Kilometern in zwei Tagen bewältigen würde. Nur zum Vergleich: In den ersten beiden Tagen hatten wir 20 und 50 Kilometer geschafft. 

Ich wollte das Problem lösen, indem ich von Heinsberg mit dem Zug nach Aachen fuhr. Denn Aachen Zentrum wäre auch bei Hochleistung die weitest mögliche Distanz gewesen. Von dort allerdings musste ich noch 20 Kilometer fahren, um in der Einsamkeit des Hohen Venns einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Also nahm ich den Zug und ab Aachen Hbf den Vennradweg, auf dem es sich bequem fahren lässt. Das war meine erste Winternacht allein im Wald. Und ich muss sagen: Es ist anders als im Sommer. Die bereits erwähnte lange Zeit, die zur Verfügung steht, wurde mir immer länger. Außerdem machte mir seit einigen Tagen ein Backenzahn zu schaffen, so dass es schwer fiel, Gemütlichkeit aufkommen zu lassen. Der Südwind frischte auf, über mir rauschten hohe Venntannen, ich lag wach im Zelt und grübelte.

Am vierten Tag ging es weiter Richtung Manderfeld. Eine Karte am Wegrand zeigte, dass vor mir noch 70 Kilometer lagen. Die ersten 20 stetig bergauf. Und stärkerer Gegenwind. Als ich die Steigung zurück gelegt hatte, musste ich einsehen, dass ich nur schaffen würde, wenn ich ganz an meine körperlichen Grenzen gehen würde: Ich war schon jetzt sehr erschöpft und hatte bei drei Stunden restlichem Tageslicht noch 50 Kilometer vor mir. Und der Zahn...

So dachte ich: Don't push the river. Take a bus. 

Und fuhr nach Köln, wo ich am nächsten Tag um acht Uhr morgens die erste Wurzelbehandlung meines Lebens über mich ergehen ließ, um mit dicker Backe doch auf die Eulenburg zu fahren und dort in angenehmster Gesellschaft Silvester zu feiern.

Daniel schrieb mir übrigens, dass er noch eine vierte Nacht in den Maasdünen verbrachte. Ich bin gespannt, was er davon erzählt.



03.12.2015

Wie in eine Hängematte

Man legt ein Buch aus der Hand und ist glücklich, weil man es gelesen hat. Weil man es nicht verpasst hat. Weil man sich jetzt schon freut, es in einigen Jahren wieder zu lesen. 

Ich bin mit Wolfgang Herrndorf nicht über seinen Bestseller Tschick in Berührung gekommen, sondern über Arbeit und Struktur. Der Autor führte von 2010 bis 2013 einen Blog mit diesem Titel. Um es platt zu sagen, wollte er damit das Ende seines Lebens dokumentieren. Man hatte einen Gehirntumor, ein Glioblastom, bei ihm diagnostiziert. Er wusste, dass er nicht mehr lange leben würde - zu Beginn seiner Aufzeichnungen ging er von einer Lebenserwartung von drei bis sechs Monaten aus. Diese Prognose erwies sich als nicht zutreffend. Und Herrndorf nutzte seine Zeit, um zweieinhalb Romane zu schreiben: Tschick, Sand und Bilder deiner verlorenen Liebe. Nach seinem Tod wurde auch der Blog als Buch veröffentlicht. 

Nachdem ich Arbeit und Struktur einmal in der Hand hatte, hab ich es kaum noch weglegen können. Es sei hiermit wärmstens empfohlen.

Tschick hingegen, kurz nach Erscheinen in vieler Munde und bald in sehr vielen Bücherregalen zu finden, scheiterte beim ersten Versuch - vielleicht wegen der verschwurbelten ersten Seite, auf der Herrndorf, der seine Hausaufgaben gemacht und laut eigener Angaben den Fänger im Roggen sehr genau studiert hat, seinen Vorbildern deutlich weniger treu war, als auf den folgenden Seiten des Buches. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er auch Susan E. Hintons Die Outsider kannte und wenn nicht, dann soll ein Vergleich damit - nicht nur aufgrund der ähnlichen Grundstruktur - ein großes Kompliment sein. 

Möglicherweise wird man irgendwann lesen können, Herrndorfs große Kunst liege jenseits der fast immer authentischen Jugendsprache im Schaffen von Atmosphäre. Die Reise von Tschick und Maik führt vom ersten Moment an durch eben genau dies:  Eine dichte, wohlige, traumähnliche Atmospähre, eine Sommerwelt, die zu schön und abgefahren ist, um wahr zu sein, die doch eben genau so sein könnte und in die ich mich zurücklegen wollte wie in eine Hängematte.

Ebenfalls als Kompliment kann man den Vergleich mit Raymond Chandler auffassen, den ich hier spannen möchte: Zwar sind die Philip-Marlowe-Krimis einem völlig anderen Genre zuzuordnen, aber sie teilen diese Eigenschaft mit Tschick, fast könnte man sagen, sie stehen dafür: Ein Auto, dass neuen Abenteuern entgegen durch Atmosphäre rollt, die so dicht ist, dass man sie mit dem Küchenmesser in Scheiben schneiden und einwecken könnte. 

18.11.2015

Dem Leben des Tänzers näher kommen


Im Spiegel 44/2015 fand sich unter dem Titel "Qual und Rausch" ein Artikel über die beiden Balletttänzer Joy Womack und Sergei Polunin. Der Artikel ist hier auf englisch zu finden. Die Tanzwelt ist klein und vergleichsweise abgeschlossen. Die große Mehrheit der Menschen hat keine Vorstellung vom Beruf des Tänzers, hat nie Ballett live gesehen, geschweige denn zeitgenössischen Tanz oder Tanztheater.

Gerne würde ich vermitteln können, was für ein Leben man als Tänzer führt. Natürlich kann ich sagen, dass ich während der Ausbildung genausoviel oder mehr trainiert habe, als die meisten Fußball-Profis, aber auch das bleibt vage. Sechs Tage die Woche schwitzen und nach Perfektion streben: Das kann man sich nur schwer vorstellen. Auch ein Buch wie "Dancer" von Colum McCann vermittelt das Lebensgefühl des tänzerischen Alltags nur schemenhaft. Der Artikel von Samiha Shafy entblättert ein Stück weit das Leid und den Druck, dem sich hochklassige Profis aussetzen.

Für mich ist es jetzt ein Jahr her, dass ich meine aktive Arbeit als Tänzer beendet habe. Natürlich war ich von Anfang an in keiner Weise mit Talenten wie Womack und Polunin zu vergleichen, jedoch waren die Strukturen, in denen ich während meiner sechsjährigen Ausbildung gelebt habe, die gleichen. Schwer fiel mir in der Hauptsache das Finden der feinen Linie zwischen dem Streben nach präziser, kontrollierter Technik und dem Sich-gehen-lassen, ohne das lebendiger Tanz nicht möglich ist.

17.11.2015

Der Tastenmann


Der Tastenmann bei der Arbeit. Letzten Freitag spielte er zusammen mit Püppkens & Co im Café Duddel. Das Café Duddel ist ein Institution in der Nähe der Uni-Mensa: Hier treffen sich Menschen im Spektrum zwischen Literaten und Erstsemestern. Hinten durch hat der Laden einen Raum, der sich als Kleinkunstbühne eignet. Was wir nicht wussten: Der gesamte Laden befand sich mitten in einer Renovierungsphase. Das war die charmanteste, schrabbeligste Bühne, auf der ich je gestanden habe. Wobei "Stehen" nicht ganz stimmt: Als Schattenspieler für den Mondmann sitze ich die ganze Zeit. 

Erik Werner alias Der Tastenmann spielt dieses Wochenende von Donnerstag bis Sonntag im Theater im Hof SYMPHONIA, ein Stück über die Figur, die so verliebt ist in die Klaviertaste, dass sie sogar darauf schläft! Das war mein letzter Bühnenbildauftrag: Eine 1,80 Meter große Klaviertaste zu bauen.

08.11.2015

Time Out


Im Sommer fuhr ich mit dem Rad durchs Wendland. Wir zelteten bei Privatleuten, was in der Gegend nicht unüblich ist. Ich zog mir am ersten oder zweiten Tag eine Zecke zu und entdeckte sie erst nach geschätzten 20 Stunden an meinem rechten Schienbein: Da hatte sie sich schon auf doppelte Stecknadelkopfgröße vollgesogen. Ich entfernte sie mit einer Pinzette, hatte nicht einmal das Herz, ihr den Garaus zu machen und warf sie in die Büsche.

Wie ich mittlerweile weiß, saugen Zecken Blut, geben aber das Wasser zurück an den Körper des Wirts: Sie sind nahezu perfekte Energiesparer - sie behalten nur die Nährstoffe. Aus dem Verdauungstrakt der Zecke, durch den das Blut gefiltert wird, können Borrelien, eine Gattung relativ großer, schraubenförmiger, gramnegativer Bakterien aus der Gruppe der Spirochäten übertragen werden. 

Erstes Zeichen: Die Wanderröte. Kreisförmig bildet sich ein roter Ausschlag um den Biss. In meinem Fall fiel sie so klein aus, dass man sie übersehen konnte: Ein Woche lang hatte ich einen roten Fleck von der Größe eines dickeren Mückenstichs, der ebenso juckte, wenn auch etwas ausdauernder. Wir waren ja auf Rädern unterwegs, es kam eine Zeit mit Regen und Kälte, wir bezogen wir ein paar Nächte eine krude Holzhütte in der Mecklenburger Seenplatte, die mir mittlerweile erreicht hatten. Ich betrachtete den roten Fleck einmal genauer im Kerzenlicht, dann vergaß ich ihn.

Zurück in Köln begann erneut der Arbeitsalltag. Es gab viel zu tun mit Barnes Crossing und der Kölner Tanzszene, mit der Werkstatt, mit meiner intensivierten Schreibarbeit. Es fiel mir schwer, mich nach dem Urlaub einzugliedern. Ich war leichter als sonst irritiert, oft müde - auch nach acht Stunden Schlaf und hatte bald das Dauergefühl, gleich krank zu werden. "Du arbeitest zuviel", dachte ich, und weil ich nicht weniger arbeiten konnte, lebte ich zumindest gesünder: Hörte auf, meine Guten-Abend-Zigarette zu rauchen, trank fast nie Alkohol und ging abends um elf ins Bett. Trotzdem war ich morgens gerädert und hatte große Mühe, mich aus dem Bett zu stemmen. Was war los? Was lief falsch? Bedrückte mich etwas? Wenn man sich das fragt, findet man immer etwas, oder nicht?

Acht Wochen nach dem Urlaub, etwa zehn Wochen nach dem Zeckenbiss war es soweit: Ich lief abends von Ehrenfeld in die Südstadt, um einen Freund zum Abendessen zu treffen. Ein dunkler, kühler Herbstabend. Ich bekam Schüttelfrost und leichte Gliederschmerzen. Die hatte ich noch nie gehabt. Schleppte mich durch den Abend, bestellte zu den Tapas von Turista Süd sogar noch ein zweites Glas Wein, beknackte Idee. Fuhr mit der Straßenbahn nach Hause, stieg die Treppen hoch und fiel ins Bett. Am nächsten Morgen war klar: Ich war krank und zwar richtig.

Die nächsten Tage verbrachte ich im Bett. Nachts schwitzte ich drei T-Shirts voll, die Gliederschmerzen blieben noch eine Weile und wurden von Kopfschmerzen abgelöst. Am Freitag Abend sollte eine Generalprobe sein, am Samstag ein von mir inszenierter Auftritt des Kwaggawerks bei der blauen Nacht in Nippes. Beide Termine musste ich schweren Herzens absagen: es ging einfach nicht (und es zeigte sich, wie ersetzbar man doch ist: Der Auftritt verlief bestens). Ich war so kaputt, ich konnte noch nicht einmal Filme gucken. Im besten Fall schaffte ich es, ein paar Kapitel Hörbuch zu hören, dann döste ich für eine halbe Stunde, schwitzte, wachte wieder auf. Am dritten Tag begann ich, Fieber zu messen: Meine Temparatur lag konstant über 38°, machmal stieg sie fast bis 40°. Montags ging ich zu meiner Hausärztin. Die Zecke war noch kein Thema: "Total unwahrscheinlich", war ihre statistisch sicherlich richtige Einschätzung. Sie verschrieb mir ein Standard-Antibiotikum. Ich dachte: Ich habe bestimmt eine Influenza, die wegen meiner Müdigkeit richtig zugeschlagen hat. Die Symptome stimmten jedenfalls.

Nach sieben Tagen war das Fieber noch immer nicht weg. Von der Dauerschlaflosigkeit und den Kopfschmerzen war ich buchstäblich ausgelaugt. Vor meinem Zimmer hing alles voll feuchter Kleidung, weil ich nachts so viel schwitzte. Ich ging wieder zur Ärtzin, die mir riet, mich stationär behandeln zu lassen. Meine Mutter holte mich im Auto und brachte mich an den Niederrhein, nach Kalkar, wo mein Vater im Krankenhaus arbeitet. Das war sicher angenehmer als ein überfülltes, anonymes Kölner Krankenhaus. Nachdem man mich komplett durchgecheckt und erneut Blut für diverse Testes abgenommen hatte, lag ich da. Endlich ein nicht total durchweichtes, klammes Bett. Ich bekam ein Schmerz- und Fieber senkendes Mittel und schlief, schlief, schlief eine Woche lang schlief ich nachts, vormittags und nachmittags und aß zwischendrin die Krankenhaus Mahlzeiten an denen das Beste ihre Regelmäßigkeit war.

Nach einigen Tagen wurde eine Lungenentzündung festgestellt: Wieder bekam ich Antibiotikum. Danach konnte ich noch besser schlafen. Und nach über zwei Wochen Krankeit kam das Testergebnis: Borrelien Antiköper im Blut. Die Zecke hatte mich erwischt. Und damit klärte sich einiges: Ich hatte die "Lyme-Borreliose". Erste Anzeichen nach der Wanderröte: 6-12 Wochen Müdigkeit.

Die Borrelien wurden weiter mit Antibiotkum behandelt. Nach zehn Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen und schlufte weitere fünf Tage durch das Haus meiner Eltern. Das ist jetzt drei Wochen her. Ganz langsam erreiche ich meine volle Arbeitsfähigkeit. Habe sogar schon eine Zigarette geraucht und gedacht: Das könnte ich auch sein lassen.