(Thomas Loibl und Kathrin Wehlisch)
Das Schauspiel Köln hat gestern seine Tore geschlossen, um Sanierungsarbeiten zu weichen. Ein letztes Mal wurde die Elfriede-Jelinek-Trilogie aufgeführt.
Mit gleich drei Stücken der Nobelpreisträgerin eröffnete Karin Beier vor knapp zwei Jahren die Spielzeit 2010/11. Das Werk / Im Bus / Ein Sturz enthielt alle Zutaten des soliden Spektakels: Neben zehn hochkarätigen Schauspielern (u.a. Manfred Zapatka, Lina Beckmann und Thomas Loibl) sorgte ein modernes Musiker-Trio für die Umsetzung der trittfesten Kompositionen von Jörg Gollasch. Eine Gesangssolistin, ein Solotänzer und zehn Gruppentänzer vervollständigten das Bild, auf dessen Höhepunkt sich noch der 50-köpfige Männerchor der 'Zauberflöten' buchstäblich aufzutürmen pflegte. Es gab Pressluftgehämmer, wildes Geschrei, Farbgeschmiere, Originaltonbänder und ein vollständiges Unterwassersetzen der Bühne. Einzig den Bulldozer hatte man im Probenverlauf wegrationalisiert. Und auch wenn inhaltlich wenig Neues passiert (wo tut es das schon?) - Jelineks Thema Mensch-versus-Natur (und tiefer: Zynismus gegen Hoffnung) eignet sich bestens für Gemälde im theatralen Cinemascope.
Natürlich machen viele schwere Zutaten noch keine gute Mahlzeit. Bei Karin Beier allerdings kann man sich zu Recht darauf verlassen, zwar vielleicht nicht gesund - so doch reichlich und erlesen ernährt worden zu sein, wenn man das Theater nach über drei Stunden Richtung Mitternacht verlässt. Nicht verwunderlich also, dass die erste Spielzeit bis zur letzten Vorstellung ausverkauft blieb. Dazu eröffnete die Trilogie mit dem Berliner Theatertreffen und dem Theater Festival Hamburg gleich zwei der großen Dinosaurier im deutschsprachigen Bühnenraum.
In der zweiten Spielzeit wurde es ruhiger. Nicht zuletzt aber weil der dritte Teil "Ein Sturz" brandaktuell vom Unglück des historischen Kölner Stadtarchivs erzählt, durfte sich das Stück zum Zapfenstreich noch einmal feiern lassen.
Karin Beier betrat zu Beginn des Abends die Bühne, um das Publikum kurz und knapp über den Ablauf eines solchen Ereignisses zu informieren. Denn bei aller ins Jetzt gewandten Bühnenkunst zeigte sie eine Hinwendung zur Tradition: Als wäre es ein alter Brauch, wurde der reiche Schlussapplaus von Kathrin Wehlisch mit großer Geste zum Schweigen gebracht. Frau Wehlisch hob ein schlichtes, leeres Marmeladenglas in die Höhe, Pauken ertönten von allen Seiten und unter großem Zeremoniell wurde der Geist des Theaters ins Glas gebannt. Auf der einen Seite der Bühne 850 Zuschauer, auf der anderen 80 Akteure, teils noch völlig durchnässt und allesamt knöcheltief im Wasser. Von den Pauken angeführt, mit Kerzen in den Händen zogen Schauspieler und Bedienstete mitsamt des Publikums einmal um das Gebäude. Auf dem Vorplatz wurde zuletzt unter Fanfarenstößen die Flagge gestrichen. Laut und klar riefen vier schwarz Gekleidete: "Schauspiel Köln!", bevor sie die ordnungsgemäß dreieckig gefaltete Flagge vom Dach in Frau Beiers Hände warfen. Wer wie diese Dame das Spektakel versteht, der muss zuerst begreifen, dass Kraft und Einfachheit zwei Seiten der gleichen Medaille sind.
Als einer der Tänzer war ich übrigens mit dabei. Nähkästchen gibt's hier aber nicht...
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