Max Pothmann | Autor | Bühnenbild & Requisitenbau | Köln-Bonn
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10.06.2010

Abendrot eingeholt

Flughafen Düsseldorf. Kurz nach 21 Uhr. Langsame Dämmerung. Vor mir blättert eine blonde Schöne im Handelsblatt. Ein kleines, afrikanisches Mädchen lächelt ihr zu. Der Vater der Kleinen sammelt sie im Vorbeigehen ein - sie sprechen eine klonkerige Sprache. Drüben zwei Hünen, große Männer mit breiten Schultern, Muskel-Armen und kantigen, gutaussehenden Gesichtern. Der eine hat langes, sonnengebleichtes Blondhaar, der andere erinnert an Tom Waits, trägt ein Cappi und hat ein blaues Auge. Wahrscheinlich ein Sportunfall - müssen Norweger sein.

Boarding Time. Alle stehen Schlange, außer die blonde Schöne, die zwei Typen und ich. Ein üblich schäl-nettes Dreierpaket sich laut unterhaltender Deutscher - die wollen unbewusst, dass alle mithören - sie sind so froh, dass sie nicht alleine sind.

Jetzt im Flugzeug. Edle Maschine, eine Boeing 737. Schwarze Ledersessel und ausklappbare Bildschirme von oben. Habe eine ganze Sechser-Reihe für mich, so leer ist es.

In der Nähe der dänischen Grenze. 7000 Fuß, 14 Grad, leichter Nordwind. Eine halbe Stunde vor der Zeit. Gerade fahren die Stewardessen mit ihrem Kaffee-Wagen vorbei. Ein hustende Inderin vor mir bestellt Cola mit Eis. Ich verkrieche mich ins Buch. Sie sprechen mich an mit 'Sir?' - fühle mich immer noch wie sechzehn.

Wir fliegen ins Licht. Im Norden ein heller Streifen zwischen Wolkendecke und dem nach oben dunklen Himmel. - Jetzt sieht man schon das erste Orange - als flögen wir in den Morgen, dabei ist die Sonne schon einmal untergegangen.

Jetzt Rot in den Wolken. Erst dachte ich, da unten stünde eine Hundertschaft dänischer Treibhäuser, aber nein: Wir haben das Abendrot eingeholt, es färbt die dünne Wolkenschicht unter uns, es breitet sich aus.

Tatsächlich taucht die Sonne auf. Erst ist sie verborgen von der Tragfläche, dann aber macht der Flieger einen Schlenker, der Flügel senkt sich und für einen Moment scheint sie mich an.

Als die Wolkendecke aufreißt und die Küste sichbar wird, sehe ich sie wieder - wir fliegen eine Kurve nach Westen - da schwebt dieser Wahnsinnsball orange-golden und so klar, wie es nur im Norden möglich ist leuchtend am Himmel.

Noch bevor wir Land überfliegen nimmt der Pilot das Tempo raus: Unter uns zeichnet sich die zerbröselte Linie des vertrauten, im Sommer so sanften Landes ins Wasser.

Teilweise bewölkt, leichter Nordwind, 13 Grad.

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