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Der Sonnenuntergang gehört zum Alltag... |
Vor zwei Jahren sind wir aus Köln weg aufs Land gezogen. Nun leben wir eine Stunde entfernt in einem kleinen Dorf an der Sieg. Ich hatte 14 Jahre in der Domstadt gelebt, meine Partnerin noch einige Jahre länger. Die Stadt war unsere Heimat gewesen, wir haben sie geliebt und wollten nicht anderswo sein (außer vielleicht in Traumszenarien als Digital Nomads, die immer dort sind, wo die Sonne scheint).
Dann änderte sich alles, wir wurden eine Familie und merkten auf einmal, dass wir für uns und unser Kind einen anderen Lebensraum wollten als die Großstadt. Es dauerte einige Jahre, bis wir die Entscheidung endgültig trafen und uns für einen Ort entscheiden konnten. Viele Aspekte flossen in diese Entscheidung ein. Wir wollten nicht anonym irgendwohin ziehen, wo wir niemanden kannten. Wir wollten einen guten Kindergarten (am besten im Wald), wir wollten an eine Bahnlinie angebunden sein.
All das haben wir gefunden. Wir kannten schon Menschen, hatten schon Freunde hier. Wir hatten einige Male wochenweise Zeit hier verbracht. Unser Kind bekam einen Platz im Waldkindergarten. Und dreimal die Stunde fährt eine Bahn Richtung Köln und Bonn, im Idealfall braucht man weniger als eine Stunde von der Haustür bis zum Dom.
Anfangs arbeitete ich noch oft in der Stadt. Lange Tage mit häufig mehr als drei Stunden für Hin- und Rückfahrt. Und ganz schnell merkte ich: Ich vermisse nichts. Für Cafés, Bars und kulturelle Veranstaltungen hatte ich als Famlienvater ohnehin kaum noch Zeit gehabt. Mir fiel auf, wie viel Stress der Verkehr in meinem Nervensystem auslöst, wie lange es braucht, um davon runterzufahren. Zwei Minuten an der Kreuzung Venloer Straße/Gürtel in Ehrenfeld hieß 24 Stunden ein Sirren in den Nervenbahnen. Kein Wunder, das ich, solange ich in Köln wohnte, ständig das Gefühl hatte, hetzen zu müssen, mich fast immer beeilte irgendwo anzukommen, kaum jemals wirklich zur Ruhe kam.
Hier ist das anders: Abends ist es still. Keine Autos fahren vorbei (auch tagsüber nur so selten, dass kleine Kinder fast völlig gefahrlos unbeaufsichtigt auf der Straße sein können). Nicht nur wir, auch die Menschen um uns herum haben mehr Ruhe. Moden und Äußerlichkeiten, die uns zwar auch in Köln kaum interessierten, uns aber doch umgaben, spielen hier kaum eine Rolle. Ein Auto - wenn man eins haben muss - soll fahren. Bei den Ebikes, die hier wegen starker Steigungen Sinn machen, zählt nicht, ob sie irgendwie cool aussehen, sondern höchstens, ob sie einen Motor haben, der noch die stärksten Steigungen auch mit einem Kind im Sitz und einem im Hänger schafft.
Natürlich ist auch das Soziale ein anderes. Nicht, dass es in Köln schlecht war: Wir hatten eine schöne Nachbarschaft, kannten fast alle Menschen, die um uns herum wohnten und fühlten uns nie allein. Aber die Freundschaftsbeziehungen waren fragmentiert - man sah sich häufig mit Abständen von ein, zwei, drei Monaten. Hier trifft man sich - besonders im Sommer - auf der Straße. Per Dorfchat werden fast täglich Dinge verschenkt oder Suchen nach Dingen (Handwerksmaschinen) innerhalb von Stunden beendet. Fragen (z.B. nach guten Ärzt:innen) werden beantwortet, Helfer:innen für Lastentransporte oder ähnliches lassen sich leicht finden.
Und unser Kind kann draußen im Wald aufwachsen. Schon jetzt, noch ein Jahr von der Schule entfernt, verbringt es ganze Nachmittage selbstständig mit Freund:innen draußen in der Nachbarschaft (viele Gärten sind offen, die Kinder dürfen sich ohne zu fragen darin bewegen, auf dem Trampolin springen etc.). Und, wegen der Steigungen, sind sie schon jetzt Meister in schnellen Abfahrten mit Laufrad und Co.