Das
erste in diesem Blog beschriebene Winterzelten fand 2012 statt. Damals fuhren wir zu viert mit Fahrrädern von Kevelaer nach Westen an den Rhein. Die erste Nacht schliefen wir malerisch unter der alten Rheinbrücke in Wesel, während neben uns ein paar tausend Wildgänse übernachteten.
Die folgenden zwei Jahre gab es beschaulichere Aktionen auf dem Zeltplatz
Anna Fleuth, mal mit Grillhähnchen, mal mit Spanferkel und Jurte. Wobei wir es uns vor zwei Jahren nicht nehmen ließen, die 110 Kilometer von Köln nach Winnekendonk mit den Rädern zurückzulegen und unterwegs, mitten im Regen, in einem Waldstückchen zwischen Neuss und Kempen zu übernachten.
Letztes Jahr fiel das Winterzelten aus. Zuerst hatte ich geplant, allein zu fahren, aber als am 27.12. in Köln Schnee fiel, gab ich auf und blieb zu Hause, zumal wir den Jahreswechsel immerhin auf einer Hütte im Bergischen verbrachten.
Und nun: 2015. Endlich ging es wieder los. Der Plan war ehrgeizig: Ich wollte am 27.12. in Kevelaer losfahren und am 30.12. in Manderfeld in der belgischen Eifel ankommen, um dort im
Haus Eulenburg Silvester zu feiern. Wir waren zu zweit. Wir hatten ein echtes Fahrradnavi. Wir konnten es schaffen. Gegen uns: Stetiger Südwind, der zwar für Dauersonne und warme Temperaturen sorgte, uns jedoch jeden Kilometer in den Beinen spüren ließ.
Am Sonntag kamen wir nicht besonders weit. Die Abreise verzögerte sich, weil am Vorabend eine Gruppe von Hobbits und Zwergen einer nach dem anderen vor der Tür standen, eine Kiste Bier im Schlepptau, so dass wir das erste Lager schon nach 20 Kilometern, ein gutes Stück hinter Straelen und einen Steinwurf von der holländischen Grenze entfernt aufschlugen.
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Unsere beiden Ein-Mann-Zelte: Im Vordergrund das Svalbard von Nordisk, im Hintergrund das Track 1 Tent von Gelert |
Eine der Besonderheiten am Winterzelten ist der Zeitrahmen: Die Tage sind kurz, die Sonne geht um halb fünf unter. Allerspätestens dann sollte man sich nach einem Lagerplatz umschauen, denn wenn es eine halbe Stunde später ganz dunkel ist, wird die Suche deutlich erschwert. Im Umkehrschluss hat dieser Zeitrahmen zur Folge, dass die Abende am Lagerfeuer sehr lang werden können: Eine große Gemütlichkeit stellt sich ein, wenn man erstmal drei, vier Nächte lang jeweils sechs oder acht Stunden im dunklen Wald am Feuer gehockt hat.
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Daniel bequem. Links der Henkeltopf, in dem sich prima über dem Feuer kochen lässt. |
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Im Hintergrund schiebt sich ein fast voller Mond über die Baumwipfel |
Am nächsten Tag folgte eine besonders schöne Strecke, weiter an der Grenze, vorbei an den Krieckenbecker Seen, durch Brüggen und westlich des Schwalmtals in den Forst Meinweg. Hier gab es eine besondere Gaumenfreude: Ein im Henkeltopf über dem Feuer gekochtes Gulasch mit viel Gemüse: Perfektes Essen, wenn man den Ganzen Tag gegen den Wind gefahren ist. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt übrigens schon so etwas wie einen Sonnenbrand von all dem Licht.
Am dritten Tag hieß es: Abschied nehmen. Daniel wollte mit dem Rad zurück nach Kevelaer und weiter den nordwestlichen Niederrhein erkunden. Ich hingegen hatte mein Ziel mit Manderfeld so weit gesteckt, dass schon jetzt fraglich war, ob und wie ich die noch bestehende Distanz von gut 140 Kilometern in zwei Tagen bewältigen würde. Nur zum Vergleich: In den ersten beiden Tagen hatten wir 20 und 50 Kilometer geschafft.
Ich wollte das Problem lösen, indem ich von Heinsberg mit dem Zug nach Aachen fuhr. Denn Aachen Zentrum wäre auch bei Hochleistung die weitest mögliche Distanz gewesen. Von dort allerdings musste ich noch 20 Kilometer fahren, um in der Einsamkeit des Hohen Venns einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Also nahm ich den Zug und ab Aachen Hbf den
Vennradweg, auf dem es sich bequem fahren lässt. Das war meine erste Winternacht allein im Wald. Und ich muss sagen: Es ist anders als im Sommer. Die bereits erwähnte lange Zeit, die zur Verfügung steht, wurde mir immer länger. Außerdem machte mir seit einigen Tagen ein Backenzahn zu schaffen, so dass es schwer fiel, Gemütlichkeit aufkommen zu lassen. Der Südwind frischte auf, über mir rauschten hohe Venntannen, ich lag wach im Zelt und grübelte.
Am vierten Tag ging es weiter Richtung Manderfeld. Eine Karte am Wegrand zeigte, dass vor mir noch 70 Kilometer lagen. Die ersten 20 stetig bergauf. Und stärkerer Gegenwind. Als ich die Steigung zurück gelegt hatte, musste ich einsehen, dass ich nur schaffen würde, wenn ich ganz an meine körperlichen Grenzen gehen würde: Ich war schon jetzt sehr erschöpft und hatte bei drei Stunden restlichem Tageslicht noch 50 Kilometer vor mir. Und der Zahn...
So dachte ich: Don't push the river. Take a bus.
Und fuhr nach Köln, wo ich am nächsten Tag um acht Uhr morgens die erste Wurzelbehandlung meines Lebens über mich ergehen ließ, um mit dicker Backe doch auf die Eulenburg zu fahren und dort in angenehmster Gesellschaft Silvester zu feiern.
Daniel schrieb mir übrigens, dass er noch eine vierte Nacht in den Maasdünen verbrachte. Ich bin gespannt, was er davon erzählt.